Mickey Wiese: Adipositas & Spiritualität – mein Ansatz in 7 Punkten
Adipositas ist für mich nicht nur ein medizinisches Thema. Es ist ein Teil meines Lebens – mit allen Höhen und Tiefen – und es ist eingebettet in meine Werte, meinen Glauben und meine Sicht auf das Leben. Ich habe gelernt, dass der Weg zu mehr Gesundheit nicht allein über Ernährung und Bewegung führt, sondern auch über Sinn, innere Ausrichtung und Gemeinschaft. Hier sind sieben Punkte, die meinen Ansatz prägen:
1. Adipositas ist eine chronische Krankheit – keine Charakterfrage
Seit meiner Magenbypass-OP 2017 weiß ich: Adipositas verschwindet nicht einfach. Sie ist eine Stoffwechsel- und Regulationsstörung, kein Beweis für Willensschwäche. Diese Sicht entlastet – und sie ist wissenschaftlich fundiert. Ich wehre mich gegen jede Form von Stigmatisierung und möchte, dass wir in der Selbsthilfe und in der Öffentlichkeit anders über diese Krankheit sprechen.
2. Spiritualität ist weiter als Religion
Ich bin Christ und schöpfe Kraft aus meinem Glauben. Aber ich weiß: Sinn und Spiritualität gibt es in vielen Formen – in Werten, in Naturverbundenheit, in der Liebe zu Menschen, in großen Zielen. Für mich ist Spiritualität der vierte Bereich im Balance-Modell der Positiven Psychotherapie: „Sinn & Zukunft“. Dieser Bereich ist offen für Christinnen, Musliminnen, Atheistinnen, Agnostikerinnen – für alle, die ihrem Leben eine Richtung geben wollen.
3. Gnade statt Leistungsreligion
Ich habe gelernt, meinen Körper als wertvoll zu sehen – auch wenn er krank ist. In meinem Glauben heißt das: Gnade gilt zuerst. Für mich ist Fürsorge für den eigenen Körper kein Zwang, sondern Dankbarkeit. Essen ist nicht nur Kalorienzufuhr, sondern kann ein Moment der Gemeinschaft und des Dankes sein.
4. Medizinische und spirituelle Wege gehören zusammen
Meine Reise umfasst Operation, Ernährungsumstellungen, medikamentöse Unterstützung (aktuell Mounjaro) und Selbsthilfegruppen. Aber ohne Sinn, Werte und innere Motivation bleiben diese Maßnahmen oft brüchig. Ich setze auf einen integrierten Ansatz: Medizinische Expertise + psychologische Begleitung + spirituelle oder werteorientierte Praxis.
5. Rückschläge gehören zum Weg
Nach Jahren in Remission kam mein Diabetes zurück – und mit ihm eine schnelle Gewichtszunahme. Das hat mich getroffen. Aber die Sinn-Säule hilft mir, Rückschläge nicht als Endstation zu sehen. Sie erinnert mich daran: Mein Wert hängt nicht an einer Zahl auf der Waage. Rückschläge sind Lernphasen, keine Urteile.
6. Gemeinschaft ist eine Kraftquelle
Ich besuche Selbsthilfegruppen, arbeite in Netzwerken, gestalte Workshops – weil Gemeinschaft trägt. In der Gruppe erleben wir, dass wir nicht allein sind. Und wir können voneinander lernen, wie unterschiedlich Sinn gelebt wird. Das stärkt nicht nur die Motivation, sondern auch den Respekt für andere Wege.
7. Praktische Sinnarbeit statt leerer Worte
Ich arbeite mit Methoden, die Sinn greifbar machen:
- Sinnsatz: Ein persönlicher Orientierungssatz, der mich im Alltag erinnert, warum ich dranbleibe.
- Balance-Modell: Das Leben als Haus mit vier Säulen – und die Sinn-Säule bewusst pflegen.
- Symbole & Bilder: Visuelle Anker, die Mut machen.
Spiritualität ist für mich kein Wolkenwort – sie wird wirksam, wenn sie in kleinen, praktischen Schritten Teil des Alltags wird.
Mein Fazit:
Adipositas und Spiritualität gehören für mich zusammen, weil beides mit Identität zu tun hat: Wer bin ich – jenseits von Gewicht, Diagnosen und Erwartungen? Je klarer ich darauf antworten kann, desto stabiler stehe ich – körperlich, seelisch und geistig.